Bild: pix­a­bay / Isa­bel Garcia

 

Men­schen, die immer schon sexu­ell aktiv waren in ihrem Leben wer­den auch in fort­ge­schrit­te­nem Alter sexu­ell aktiv blei­ben. Lei­der wer­den sie die­ses Bedürf­nis oft­mals nicht mehr erfül­len kön­nen oder dürfen.

Es ist kein Part­ner mehr da. Oder es gibt keine Mög­lich­keit in der Ein­rich­tung, sich zurück­zu­zie­hen und Pri­vat­sphäre zu genie­ßen, weil es schlicht kei­nen Raum dafür gibt. Türen kön­nen aus nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den nicht abge­schlos­sen werden.

Viel­leicht bewoh­nen sie auch noch ein Zim­mer in Dop­pel­be­le­gung, das heißt, zwei Bet­ten mit zwei Per­so­nen in einem Raum. Dort kann der Bewoh­ner keine Inti­mi­tät ausleben.

 

Die Folge: Men­schen for­dern in ihrem Ver­hal­ten heraus

Diese feh­len­den Struk­tu­ren füh­ren häu­fig zu Nöten, zu über­grif­fi­gem, zu her­aus­for­dern­den Ver­hal­ten, zu Men­schen, mit denen man schlecht Kir­schen essen kann, die häu­fig schlechte Laune haben.

Ich glaube, da kann sich jeder sel­ber hin­ein­ver­set­zen und reflek­tie­ren: Wie geht es dir, wenn du deine Sexua­li­tät nicht aus­le­ben kannst, aus wel­chen Grün­den auch immer? Dem ein oder ande­rem wird alleine bei dem Gedan­ken schon die Laune ver­ha­gelt sein.

Und wie soll es sich erst anfüh­len, wenn Men­schen sich auf ihrem letz­ten Lebens­drit­tel oder letz­ten Lebens­weg befin­den und so ein­fach ein Grund­be­dürf­nis nicht mehr aus­fül­len können?

 

Die hilf­rei­che Mög­lich­keit der pas­si­ven Sexualbegleitung

Bewoh­nern stellt man ent­spre­chende Filme und Print­me­dien zur Ver­fü­gung. Sie wer­den über die Mög­lich­kei­ten der unter­schied­li­chen Hilfs­mit­tel (Vir­bra­to­ren, Mas­tur­ba­to­ren, etc.) auf­ge­klärt, die sie dann selbst finan­ziert nut­zen kön­nen. Es wer­den Rück­zugs­räume ein­ge­rich­tet, in denen die Bewoh­ner alleine oder als Paar eine intime Zeit genie­ßen. Oder zumin­dest wird ein Schild „Bitte nicht stö­ren!“ an die Zim­mer­türe gehef­tet, damit es eine pri­vate Zeit der Zwei­sam­keit gibt.

Es wird die Mög­lich­keit geschaf­fen, ein zwei­tes Bett zuzu­schie­ben, wenn der nicht in der Ein­rich­tung lebende Part­ner zu Besuch kommt und über­nach­ten möchte. Auch Paa­ren, die sich in der Ein­rich­tung gefun­den haben, muss diese Gele­gen­heit gebo­ten wer­den, damit Men­schen kör­per­li­che Nähe emp­fin­den können.

 

Es geht nicht in ers­ter Linie um den Beischlaf

In den aller­we­nigs­ten Fäl­len kommt es zur Pene­tra­tion.  Es ist die­ses fremde Haut spü­ren, diese nackte fremde Haut wie­der wahrzunehmen.

Viel­leicht nach vie­len Jah­ren die­ses Gefühl zu haben, im Arm eines ande­ren ein­zu­schla­fen, hin­ter jeman­dem zu lie­gen, vor jeman­dem zu lie­gen. Die Wärme eines ande­ren zu spü­ren. All das ist auch Sexualität.

 

Die aktive Sexu­al­be­glei­tung – kein Able­ger der Prostitution

Nina de Vries aus Ham­burg ist die erste Frau, die sich als Sexu­al­be­glei­te­rin betä­tigte. Sie begann mit der akti­ven Sexu­al­be­glei­tung bei behin­der­ten Men­schen, in der Haupt­sa­che jun­gen Män­nern, die Unter­stüt­zung bei der Aus­übung ihrer Sexua­li­tät brauchten.

Sie betont immer wie­der, dass es in ihren Beglei­tun­gen nicht zum  Geschlechts­ver­kehr kommt (weder oral noch vagi­nal), son­dern tat­säch­lich nur ums Spü­ren des  Ande­ren gehe. Sie unter­stützt z.B. bei der Selbst­be­frie­di­gung, wenn die Pati­en­ten dazu nicht mehr in der Lage sind.

Alle Sexualbegleiter*Innen durch­lau­fen eine Aus­bil­dung, in der sie mit ver­schie­de­nen Krank­heits­bil­dern und mög­li­chen Aus­wir­kun­gen ver­traut gemacht wer­den. Natür­lich ist die Beglei­tung nicht kos­ten­frei, den­noch ist die Abgren­zung zur Pro­sti­tu­tion der feh­lende Geschlechtsverkehr.

Auf der ande­ren Seite gibt es natür­lich auch die Mög­lich­keit, dass Män­ner oder auch Frauen Pro­sti­tu­ierte ein­la­den, die sie sel­ber finan­zie­ren. In die­sem Fall ist die Absicht ein­deu­tig: es geht um die Pene­tra­tion, soweit die Bewoh­ner in der Lage dazu sind. In vie­len Ein­rich­tun­gen gibt es Abspra­chen, dass ent­we­der ent­spre­chende Damen und Her­ren in die Heime kom­men oder die Bewoh­ner in die Eta­blis­se­ments gebracht werden.

 

Sexua­li­tät bei Demenz

Es ist ent­schei­dend und ganz wich­tig, dass es eine klare Wil­lens­äu­ße­rung gibt, auch bei Men­schen mit Demenz. Diese Wil­lens­äu­ße­rung kann auch non­ver­bal geäu­ßert wer­den. Hat sich ein demen­zi­ell erkrank­tes Paar gefun­den und man beob­ach­tet, dass sie sich immer häu­fi­ger zusam­men ins Bett legen, muss klar sein, dass es eine Frei­wil­lig­keit auf bei­den Sei­ten gibt.

Es darf nicht sein, dass einer der Bei­den sexu­ell miss­braucht wird. Durch bestimmte Gesprächs­in­ter­ven­tio­nen oder durch genaues Beob­ach­ten lässt sich für die aus­ge­bil­dete Fach­kraft fest­stel­len, wel­cher Wille vorliegt.

 

Gerin­ge­rer Medi­ka­men­ten­ein­satz und höhe­res Lebensalter

Unter­su­chun­gen haben gezeigt, dass Men­schen, die sexu­ell aktiv sind und auch noch Orgas­men erfah­ren, deut­lich weni­ger Schmer­zen emp­fin­den. Die Schmerz­emp­fin­dung wird ver­rin­gert, es tritt ein inten­si­ve­res, aus­ge­gli­che­nes Wohl­be­fin­den ein.

  1. Born­emann, ein Sexu­al­for­scher, wies in sei­ner Stu­die nach, dass in Ein­rich­tun­gen, in denen gegen­sei­tige Besu­che in den Zim­mer mög­lich sind, der Medi­ka­men­ten­ver­brauch um 30% gerin­ger ist als in Hei­men, in denen es ein Besuchs­ver­bot gibt. Ebenso fand er her­aus, dass diese Bewoh­ner im Durch­schnitt sie­ben Jahre älter wur­den als in Ein­rich­tun­gen, in denen der intime Kon­takt unter­sagt war.

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Marlis Lamers - Kommunikation Wortlos

Als Gefühls­dol­met­sche­rin ist es mir wich­tig zu reden, wo andere schwei­gen. The­men wie Sexua­li­tät in der Pflege, Ekel und Scham dür­fen kein Tabu blei­ben! “Die Angst zeigt den Weg!” ist einer mei­ner Maximen. 

Mit Mut und Hal­tung fin­den wir eine Mög­lich­keit, diese The­men auch in Ihren Ein­rich­tun­gen wert­schät­zend und mit Weit­blick zu behandeln.